Pressespiegel

Die Unruhe vor dem Turm

In Arles eröffnet eines der größten Kulturzentren der Welt, das Luma. Der zweiundneunzigjährige Frank Gehry hat hier eines seiner besten neuen Werke gebaut.

Arles ist eine alte Stadt, sie ist bekannt für die antiken Stätten, ein römisches Amphitheater, alt-französische Häuser. Da steht man einem Neubau etwas skeptisch gegenüber. Vor allem, wenn es sich um einen so großen wie den Turm von Gehry handelt, dazu noch in Auftrag gegeben von der privaten Kunstsammlerin Maja Hoffmann. Doch, nachdem der Turm nun fertig ist, kann man sehen – viel, was bei anderen Gebäuden des Büros Gehry in den letzten Jahren zu kritisieren war, fällt hier weg. Die Form des Gebäudes ist an das Amphitheater angelehnt, aus der Rundung, die sich zur Stadt hin öffnet, erhebt sich der 56 Meter hohe Turm aus Aluminiumquadern, die an die römischen Steinquader erinnern. Durch die Oberflächenstruktur scheint der Turm in verschiedenen Farben zu leuchten und wird so als Haus, in dem Kunst untergebracht wird, zu Kunst selbst.

Und es soll nicht nur Kunst gezeigt, sondern auch Kunst erlebt werden. Nach dem Vorbild in Mailand ist eine Kulturstätte entstanden, in der das Erschaffen und Erforschen von Kunst genauso Inhalt sein soll, wie die Ausstellung der fertigen Kunst. In sechs großen Hallen werden völlig verschiedenen Arten der Kunst ihren Platz erhalten. Auch leben können die Künstler in dem Turm, hier können sie produzieren und lernen, auf Kunstarchive zurückgreifen und in den Austausch treten.

Doch natürlich wird auch Kunst ausgestellt, wobei das Gebäude an sich selbst Kunst ist und viele Kunstwerke in den Raum integriert wurden. Auch verschiedene Materialexperimente sind im ganzen Luma zu sehen, vor allem mit Materialien aus der Region, die bei dem Gebäude im Fokus stehen soll.

Der Bau hat etwa 150 Millionen Euro gekostet und soll mit der Stadt zusammen betrachtet werden, sich in sie integrieren und sie ergänzen. Und zu einem öffentlichen Kulturort auch für die Bevölkerung werden. Das ist Arles besonders nötig, denn in der Stadt läuft vieles schief, von Arbeitslosigkeit bis hin zu Rechtsextremismus. Daher soll das Luma kein Elfenbeinturm werden, sondern jedem in der Stadt Gelegenheit zum Zusammenkommen und zum Erfahren von Kunst und Kultur geben. Am Eröffnungstag hat das schon mal geklappt, es war ein Zusammenkommen wie in Zeiten vor der Corona-Pandemie.

Von Niklas Maak | Erschienen in der FAZ am 28.06.2021