Es ist nie zu spät, eine europäische Region auf die architektonische Landkarte zu holen, zumal mithilfe eines Kulturbaus. Nach einem Zentrum für die junge Kreativindustrie in der Haupstadt der Republik Moldau, Chişinău, folgt nun ein prestigeträchtiges Projekt mit dem Namen Rising Philharmonic. Große Teile des bestehenden Bauwerks der Nationalen Philharmonie „Serghei Lunchevici“ im Zentrum der Stadt waren im September 2020 einem Brand zum Opfer gefallen. Dies veranlasste das Kulturministerium, einen internationalen Architekturwettbewerb zu lancieren und damit nicht nur ein Konzept für den Wiederaufbau, sondern auch für eine neue Gestalt der etablierten Institution zu finden. Gleich zwei deutsche, genauer Stuttgarter Büros sind kürzlich prämiert worden, dazwischen ein beachtlicher Beitrag eines moldawischen Architekturteams.
Über 100 Jahre alt sind die ältesten Bestandteile der heutigen Philharmonie, sie stammen aus dem Jahr 1913. Es war zunächst für Theater- und Zirkusaufführungen konzipiert, schnell folgten weitere Nutzungen und bauliche Erweiterungen. Ende der 1950er Jahre wurde der historische Zirkusbau saniert und um einen dreistöckigen Anbau samt des heute erhaltenen Haupteingangsportals mit den semipolygonal angeordneten Kolonnaden ergänzt.
2020 kam es dann zu dem Brand, der infolge von Bauarbeiten ausbrach. Die große Konzerthalle und der Probesaal, die Bibliothek sowie zahlreiche wertvolle Instrumente fielen ihm zum Opfer. Daher wurde nun neugestaltet, mit dem Ziel ein „repräsentatives Gebäude für Kultur sowie für die nationale und internationale Musikszene mit einem außergewöhnlichen ästhetischen Potenzial zu errichten, durch das dem Land internationale Anerkennung verschafft wird“.
Dabei wurden 27 Beiträge aus 13 Ländern in die Endauswahl aufgenommen, die Jury um den Vorsitzenden und Architekten Lino Bianco entschied sich für folgende drei Preise: Erster Preis: bez+kock architekten generalplaner (Stuttgart), zweiter Preis Cataraga Architects (Chișinău) und dritter Preis: wulf architekten (Stuttgart). Sie sind sich einig darin, einen starken Kontrast zwischen dem historischen Teil, der das Feuer überstanden hat, und einem gänzlich neuen architektonischen Ansatz hervorzuheben. Der Erstplatzierte integriert den denkmalgeschützten Fassadenbereich des Zirkusbaus entlang der Straße und ergänzt diesen um markante geometrische Elemente wie etwa ein massiver, in lokalen Stein gekleideter Quader mit trichterförmigem Eingang. Nun folgen Verhandlungen mit dem Gewinnerteam und die Erarbeitung der finalen Pläne.
Erschienen am 01.06.2023 auf baunetz.de